Cover letter: no longer up to date, or is it?

Anschreiben: nicht mehr zeitgemäß, oder etwa doch?

Viele Unternehmen verzichten mittlerweile darauf, ein Anschreiben zu fordern. Zu viele Floskeln, zu zeitaufwendig, zu wenig aussagekräftig. Doch dieses Vorgehen ist nach wie vor nicht unumstritten. Daher stellt sich die Frage: Anschreiben, ja oder nein?

Die Deutsche Bahn hat es vorgemacht. Seit Mitte 2018 verzichtet das Unternehmen darauf, Anschreiben zu fordern. Der Grund: Die Deutsche Bahn will über 19.000 neue Mitarbeiterende gewinnen, da ein Großteil der Belegschaft in absehbarer Zeit in Rente geht. Damit dies gelingt, sollen die Hürden für eine Bewerbung möglichst gering gehalten werden. Stattdessen müssen nun nur noch Lebenslauf und Zeugnisse auf einer Onlineplattform eingereicht werden. Der Erfolg gibt der Bahn recht: Bereits wenige Monate nach der Verkündung dieser Maßnahme konnte die Zahl der Bewerbungen deutlich erhöht werden: Sie stieg um 10% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Auch andere Unternehmen tun es der Bahn gleich und verzichten auf Anschreiben.

Anschreiben: mehr Schein als Sein?

Die Grundidee hinter einem Anschreiben ist simpel: Durch Anschreiben erfahren Unternehmen mehr über Fähigkeiten, Motivation und Rechtschreibkenntnisse der Bewerberinnen und Bewerber. Doch in der Realität sieht dies meist anders aus. Statt die Chance zu nutzen, mehr über die eigenen Stärken preiszugeben, tun sich viele Bewerberinnen und Bewerber eher schwer damit. Eine Vielzahl von Bewerbungsschreiben ist gespickt mit Floskeln: Anstatt individuell auf die Stellenanzeige, das Unternehmen und die nötigen Anforderungen einzugehen, werden generische Anschreiben verwendet, die auf jedes und kein Unternehmen passen. Das Aufzählen von Attributen wie Teamfähigkeit, Flexibilität und Belastbarkeit bedeutet kein Mehr an Information für Recruiterinnen und Recruitern, sondern nur zusätzliche Arbeit. Entsprechend wenig Zeit wird sich daher meist für die Sichtung der Bewerbungsschreiben genommen.

Hinzu kommt, dass Argumente wie das Prüfen der Rechtschreibfähigkeiten sich nur ungenügend in die Tat umsetzen lassen. Mittlerweile ist es ein Leichtes, vorgefertigte Muster aus dem Internet herunterzuladen. Zudem werden Bewerbungsschreiben in der Regel von Freundinnen, Freunden oder Familienmitgliedern korrigiert oder gar geschrieben. Doch nicht jede*r hat die Möglichkeit, auf ein solches Netzwerk zurückzugreifen, was einen Wettbewerbsnachteil bedeutet. Des Weiteren sind einwandfreie Orthografiekenntnisse zwar nie verkehrt, aber bei Weitem nicht in jedem Beruf unabdingbar. So bringen Unternehmen sich selbst um Topkandidatinnen und -kandidaten, die zwar alle erforderlichen Kenntnisse mitbringen, jedoch Schwächen im Verfassen von Anschreiben aufweisen. Gerade in technischen Berufen sollten Hard Skills deutlich bedeutsamer sein.

Die Chance nutzen

Je nach persönlichem Lebenslauf können Anschreiben jedoch auch den entscheiden Ausschlag geben. Im Falle eines lückenreichen Lebenslaufs bietet das Anschreiben die Möglichkeit, relevante Zusatzinformationen bereitzustellen. Auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger haben mit einem Bewerbungsschreiben eher die Möglichkeit, zu zeigen, warum sie einen Berufswechsel anstreben. Wenn Positionen besondere Sprachkenntnisse erfordern, können diese im Rahmen des Anschreibens dargelegt werden. Zudem bietet das Anschreiben die Möglichkeit, sich vor einer Bewerbung noch einmal intensiver mit den eigenen Fähigkeiten, der Stellenausschreibung und dem Unternehmen auseinanderzusetzen und herauszufinden, ob die Stelle tatsächlich die richtige ist. Das Verzichten auf Bewerbungsschreiben lädt hingegen dazu ein, sich inflationär auf Stellen zu bewerben, da der Aufwand nun nur noch minimal ist.

Doch nicht nur altbekannte Unternehmen müssen sich mit ihren bestehenden Bewerbungsprozessen auseinandersetzen. Auch Start-ups, die vor der Herausforderung stehen, einen steigenden Mitarbeiterbedarf bei gleichzeitig fehlender Markenbekanntheit zu sättigen, müssen mit modernen Methoden der Personalsuche überzeugen. Während es früher die Kandidatinnen und Kandidaten waren, die um die Stellen buhlten, ist es heute aufgrund des Fachkräftemangels meist andersherum: Nun sind es die Unternehmen, die Bewerberinnen und Bewerber von sich überzeugen müssen, und zu einer positiven Candidate Experience gehört eben auch ein bewerberfreundliches Bewerbungsverfahren.

Anschreiben: mehr als eine chronologische Aufzählung

Für die meisten Recruiterinnen und Recruiter ist ein persönliches Gespräch oder eine Probeaufgabe deutlich aussagekräftiger als ein Anschreiben. Da es jedoch zu zeitaufwendig wäre, dies mit allen Bewerberinnen und Bewerbern durchzuführen, wird nach wie vor ein anderes Vorauswahlkriterium benötigt. Da für die Beurteilung von Bewerberinnen und Bewerbern vor allem deren Fähigkeiten maßgeblich sind, rücken Projekte und Tätigkeiten, die im Rahmen der bisherigen Jobs gesammelt wurden, in den Vordergrund. Es ergibt daher Sinn, einzelnen Stationen des bisherigen Werdegangs bereits im Lebenslauf nicht nur aufzuzählen, sondern mit Tätigkeitsbeschreibungen zu versehen und dabei auch Wert auf Projekte, Verantwortlichkeiten und Skills zu legen.

Auch andere Alternativen gibt es genug, beispielsweise One-Click-Bewerbungen. Hier reicht es, erst einmal nur das Xing- oder LinkedIn-Profil oder einen Lebenslauf anstatt einer aufwendigen Bewerbung einzureichen. Auch sollten Unternehmen nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, proaktiv auf potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten mithilfe von Active-Sourcing-Methoden zuzugehen und sich so einen Vorteil im War for Talents zu verschaffen.

Grundregeln für ein gutes Anschreiben

Sollten Unternehmen weiterhin klassische Bewerbungsschreiben fordern, gibt es ein paar einfach Grundregeln, die Bewerberinnen und Bewerber befolgen sollten. Die erste Regel: Etwas wie das perfekte Anschreiben gibt es nicht. Jede Stelle hat eigene Anforderungen. Deswegen sollte darauf verzichtet werden, immer wieder das gleiche Anschreiben zu verwenden und lediglich die Kontaktinformationen auszutauschen. Stattdessen sollten Unternehmen und Stellenanzeige genauestens studiert und die persönlichen Erfahrungen und Stärken mit Bezug auf diese reflektiert werden. Auch gehören substanzlose Floskeln nicht in ein Bewerbungsschreiben. Das Anschreiben bietet jedoch die ideale Gelegenheit, aus der Masse herauszustechen, Soft Skills zu belegen und einzelne Punkte im Lebenslauf genauer zu erläutern. Diese Chance sollte genutzt werden. Erleichtert wird das Aufsetzen eines Anschreibens mittlerweile durch schlichte Designvorlagen, die einen übersichtlichen Aufbau vorgeben, der nicht vom Inhalt ablenkt. Auch sollte das Anschreiben nicht zu lang sein, sondern in der Regel maximal eine Seite umfassen. 

Anschreiben können Fluch und Segen zugleich sein. Gut gemacht, können sie einen echten Mehrwert bieten. Wenn sie jedoch nur aus Floskeln und Plattitüden bestehen, kosten sie vor allem Zeit. Daher sollten Unternehmen immer je nach Stelle entscheiden, ob ein Anschreiben tatsächlich sinnvoll ist. Zudem sollten sie sich nicht vor den bereits bestehenden und noch neu aufkommenden Alternativen verschließen, sondern abwägen, was das sinnvollste Verfahren für alle Beteiligten ist.

 

Im Rahmen unserer Karriereberatung unterstützen wir Bewerberinnen und Bewerber bei der Zusammenstellung professioneller Unterlagen. Informationen dazu haben wir hier zusammengestellt.

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